Übermalungen - Überdeckungen

Ruhe und Ausgewogenheit sind das Kriterium der anfänglichen Übermalungen. Es geht um die Verhältnisse von Farbe und Bildformat und die Spannung zwischen Bildrand, Malgrund und der Begrenzung des Zustrichs. Statt Gestik geht es um Konzentration, um etwas das durch die Malerei gebändigt ist und in der Malerei beruht. Rainer kommt damit an eine Grenze in seiner Suche nach dem Ursprung der Malerei.

Die schwachen Stellen eines Bildes zu vertuschen, eine nach der anderen so lange zu verdecken, bis ich nichts mehr sehe hat mich zu den Übermalungen gebracht. Aus Liebe und Vervollkommungsdrang. Ich wollte noch schönere Kunstwerke daraus machen, alles andere sind Gerüchte. … Arnulf Rainer

Ab 1961 beginnt er mit den Überzeichnungen von Figuren. Das Darunterliegende wird zu einer Voraussetzung für die Form der Überdeckung. Es geht ihm nicht mehr um die Zumalung, sondern es entsteht ein intensives Verhältnis zur verdeckten Vorlage. Die Ränder sind gefranst und bewegt. Das was darunter liegt regt ihn an. Er führt das Gegebene fort. Es kommt zu einem Nachbearbeiten, zu einem Verbessern der Konturen wodurch die Überdeckung einen Gestaltrhythmus erhält, der mit dem überdeckten Gegenstand übereinstimmt, aber sich auch von ihm lösen und auswuchern kann.

Ich wollte das ausgebreitete Dunkel, das fast verschlossenen schwarze Bild. Entexpressionierung, permanente Verhüllung, kontemplative Ruhe sind die Prinzipien meiner Arbeiten 1953 – 1965. … Arnulf Rainer

Er selbst sei es, der unter den Übermalungen schlafe, bemerkt Rainer in einem Interview 1975. Die Zumalungen sind keine Abstraktionen sondern seine eigene psychische und physische Verhüllung. Sein Werk teilt sich in zwei Gruppen, Entäußerung und Verinnerlichung. Das Bloßlegen und nach außen stülpen des Inneren ist dabei immer an das Gestische gebunden und wird dadurch verstärkt. Das Verhüllen durch Zumalung jedoch löscht den darunter liegenden Gegenstand physisch aus, wobei seine geistige Gegenwart durch die Struktur der Oberfläche spürbar bleibt.


(Text: Christa Armann)