Eröffnungsrede - Margareta Sandhofer

Simone Haack – Elisabeth Plank – Olga Shcheblykina
GOODBEY PAINTINGS

Der Titel der Ausstellung GOODBEY PAINTINGS lässt eigentlich etwas Anderes als das vermuten, was man hier antrifft: Es ist nämlich ganz und gar nicht eine Absage an die Malerei, sondern vielmehr die Präsentation von drei außerordentlichen Positionen dieser Disziplin. Die Auswahl, die das Galerienteam gemeinsam getroffen hat, hätte kaum diverser ausfallen können. Sie zeigt hier sehr unterschiedliche Formen von Malerei auf, die eines verbindet: die absolute Hinwendung zu diesem klassischen Medium, das hier zu einer intensiven Versammlung verdichtet ist.

Der Titel GOODBEY PAINTINGS ist als paradoxe Intervention sehr bewusst gewählt. Er soll gerade durch seine Ambivalenz das Gegenteil des oberflächlich anklingenden Abschieds betonen: die Affirmation. Das GOODBEY PAINTINGS inkludiert das zukünftige HELLO PAINTINGS und setzt dieses in sich voraus, ähnlich dem Gruß „auf Wiedersehen“, der uns ja geläufig ist.

Auch in diesem herzlichen Grüßen, in dem direkten Ansprechen der Gemälde als ein Gegenüber drückt sich die Nähe des Bezugs zu ihnen aus. Diesem Gegenüber wird mit dem direkten Grüßen ein empfindsames Wesen zugesprochen, etwas, dem man zugeneigt ist und mit dem man Kommunikation führen kann – und das auch will. Und gleichzeitig ist in diesem Titel auch eine Einladung ausgedrückt, es dem Team der Galerie und den drei Künstlerinnen gleich zu tun und in die Kommunikation mit den Gemälden einzusteigen.

Die Galerie Ruberl präsentiert hier drei mögliche Daseinsformen innerhalb der unendlichen Spannweite, die Malerei einnehmen kann. Die gleichzeitige Präsentation dieser so verschiedenen Formen von Malerei ist vielleicht sehr mutig, jedenfalls ist sie durchaus gelungen. Sie unterstreicht die Charakteristik der einzelnen Positionen und zeigt die energetische Lebendigkeit derselben auf, und sie zeigt vor allem wie sehr sie nebeneinander und ganz besonders miteinander bestehen können. Also zugleich eine Hommage an die Diversität.

Elisabeth Planks Werk ist nicht zum ersten Mal präsent in diesen schönen Räumen. Es hat hier schon in einer Soloshow und in mehreren Gruppenausstellungen brilliert. Dabei gleicht keine Präsentation einer anderen, denn Elisabeth Planks Schaffen zeichnet eine Vielgestalt im Oeuvre aus. Es bietet sich ein auffallend lebendiges Kunstschaffen dar, dessen vorschreitende Entwicklung sich mit Spannung beobachten lässt.

Das Oeuvre ist voller überraschender Wendungen. Es macht gewissermaßen Stationen in Serien und Werkgruppen, die sich stets in einer beeindruckenden Direktheit ohne Umschweife, bar jeder kapriziösen Notwendigkeit einer theoretisierenden Gelehrigkeit, in einer unmittelbaren Ausdrucksweise direkt an den Betrachter wenden. Mit einer zauberhaften Leichtigkeit bewegt sich Elisabeth Plank in ihrem langjährigen Schaffen durch die verschiedenen Entwicklungssphären. Gleichsam spielerisch balanciert sie über diverse Stilmittel hinweg. Immer ist sie aufmerksam auf ihre Umgebung, auf Anregungen jeglicher Art, sei es durch Literatur, Natur, näheres Lebensumfeld oder auch Künstlerkollegen und deren Kunst: Die Umwelt, das Leben, wird aufgenommen, reflektiert und verarbeitet. Es schlägt sich nieder – ohne, dass es für den Betrachter spontan auf seine mögliche Anregung zurückzuführen ist. Elisabeth Plank hat sich freigespielt von einem Narrativ. Sie verzichtet auf jedes Pathos eines vorgetragenen Virtuosentums wie auf jede oft geforderte zeitgenössische Aktualität. Sie hat vielmehr die inhaltliche Erzählung zurückgedrängt zugunsten der Komposition, und diese wieder zurückgezogen zugunsten einer freien Wirksamkeit.

In den hier präsentierten jüngsten Serien der „PONDS“, oder noch viel mehr in der Serie der „LYRICS“, scheint sie vielleicht an Musikalisches anzudocken. Daran erinnern die Freiheit der Farben, die leichte Beschwingtheit in einer spielerischen Schwebe und die orchestrierte Rhythmik vor der Magie des Hintergrunds. Gerade durch die elementare Sprache der reduzierten formalen Mittel stellen sich unmittelbar sehr diverse Assoziationen ein.

Belegen lässt sich grundsätzlich nur eines: Trotz der vielseitigen Facetten in ihrem Oeuvre und der sich öffnenden vielen möglichen Interpretationen, bleibt Elisabeth Plank stets bei sich, das heißt, sie horcht auf ihr Inneres. Das Werk entspringt nur seinem eigenen Drang und folgt seiner Eigengesetzlichkeit. Es entsteht im sich entwickelnden Prozess, in einer stillen, fast meditativen Atmosphäre. In sehr konzentrierter Verfasstheit folgt Elisabeth Planks Pinselzug dem Impuls aus ihrem Inneren, der in einem direkten Fließen auf das Entstehende reagiert, als führe sie ein Zwiegespräch mit ihrem entstehenden Werk. Manchmal erscheint mir dieser dialogische Entstehungsprozess wie ein Tanz mit der Malerei, der je nach Spielart des Tanzes unterschiedliche Modi kreiert und fein kalibrierte Tonarten anklingen lässt. Jedenfalls geschieht es in einer innigen Umarmung.

Ähnlich wie Elisabeth Plank begnügt sich Simone Haack scheinbar bescheiden mit dem Feld der reinen Malerei. Sie bewegt sich in ihrem Schaffen bejahend im klassischen und traditionellen Bereich der Malerei auf Leinwand, die ihr dennoch eine Unerschöpflichkeit zu bieten vermag.

Anders als ihre Kollegin bedient sie sich der Mittel des Realismus, ohne jedoch Realität abzubilden. Oder vielmehr geht es um eine Realität, die sich hinter dem Dargestellten oder abseits dessen befindet. Man spricht vom Neuen Magischen Realismus, der Unsichtbares und Verborgenes visualisiert, abstrakt und hyperreal zugleich. Es sind fiktive suggestive Bildnisse, in unserem gegenwärtigen Fall Bildnisse von eigenartigen Haarlandschaften, die in absoluter Kunstfertigkeit und Künstlichkeit in hochgradiger Perfektion das Bildfeld verschlingen.

Diese Haarlandschaften sind nicht nur zu perfekt um real zu sein, sie sind auch in dieser absoluten Dominanz, die sämtliches absorbiert und jede Deutungshoheit beansprucht, einfach ungeheuerlich. Simone Haacks Haarlandschaften sind surreale Paradoxien. Sie entstammen einer Zwischenwelt, in der die vorgetragene perfektionierte Realität mit Traumhaftem und Utopischem kunstvoll verflochten und verschlungen ist, was in irritierender Brillanz höchst verführerisch und höchst ambivalent schillert.

Ihre Ambivalenz birgt Hintergründiges und möglicherweise Abgründiges. Die Sphäre des Unbewussten und Unterbewussten klingt subversiv an. Das heißt, dass auch Fragen nach der Identität von physischen und psychischen Existenzen in diesen Haarlandschaften schwelen. Verschwommene Erinnerungen und diffuse Vorstellungen, mitunter auch bedrohliche Ahnungen deuten sich an. Und doch gründen in der bizarren Schönheit dieser paradoxen Darstellungen neben dem Unheimlichen genauso ein lustvolles Ausspielen der Absurdität, Visionäres und pure Ekstase, genährt von Ironie und Humor. Simone Haacks Haarlandschaften bieten uns eine Weite an Vieldeutigkeit und Raum für unsere Fantasie.

Für Olga Shcheblykina ist es der erste Auftritt in der Galerie Ruberl. Die junge Künstlerin sprengt nun das klassische Format des Gemäldes. Es ist ein Aufbruch mit all seinen mehreren Deutungsebenen. Sie bricht aus dem herkömmlichen Geviert aus und beschreitet kraftvoll ihren sehr eigenen Weg. Dieser Weg führt hinaus in den Raum, den sich die Werke scheinbar eigenmächtig erobern.

Die Gemälde, die man noch als solche bezeichnen kann, tragen Massen von Farbe auf sich. Das pastose Volumen bauscht die Werke objekthaft auf. Diese bewegten Farbmassen verleihen ihnen eine hohe Subjektivität. Es ist eine seelische Befindlichkeit, die sich uns offenbart. Die Arbeiten oszillieren zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, oder wollen unbestimmt Gegenständliches andeuten um dann doch wieder in eine ungeklärte abstrakte Situation abzutauchen. Der Werktitel „Desiring Machine“ ist bezeichnend für diese Charakteristik. Die beseelte Maschine beschwört eine visionäre Kreatur, deren zukünftiges Dasein immer näher rückt. Mit „Sticks“ und „Stones“ sind elementare Bausteine gemeint, die zu etwas zusammenfinden, das im selben Moment wieder dekonstruiert wird. Auch das ein abstrakter Moment, der den Blick fesselt und die Ruhe der Kontemplation irritiert. Olga Shcheblykina visualisiert starke Gefühle, emotionale Unruhe, sich zusammenbrauende Energie – und Verletzlichkeit. Ihre Malerei ist eng verbunden mit einer Körperlichkeit, die ihre physische Präsenz uns energetisch entgegenrückt.

Die Arbeit „Vessel“ ist nun tatsächlich Skulptur gewordene Malerei.

In zarter Farbigkeit und differenzierter Stofflichkeit spielen die sensitiven Strukturen unbefangen ihre sinnlichen Reize aus. Dieses Gebilde scheint auf unerklärliche Weise aus sich selbst herausgewachsen. Seine Unergründlichkeit fordert unmittelbar seine Erkundung heraus. Man ist versucht, es nicht nur visuell zu erfahren, sondern auch taktil zu erfassen. Manches von Olga Shcheblykinas Werken birgt etwas Unheimliches, nicht aber dieses eigenartige Gebilde „Vessel“. Ja, laut Titel ist es ein Gefäß, aber es fasst in sich eine Vitalität, die im Moment ist, zu entspringen und sich zu entfalten. Es ist weniger das Gefäß, es ist mehr der abstrakte Inhalt, der uns geradezu entgegenspringt. Eigenwillig und selbsttätig tritt dieses eigenartige Wesen auf und behauptet sich auf seinem Sockel – als ein lebensbejahendes Geschöpf strahlt es in leuchtender kraftvoller Farbigkeit eine ursprüngliche Heiterkeit aus, und zugleich eine feine Empfindsamkeit, die uns subtil und bestechend unsere Zugewandtheit entlockt. Theatralisch inszeniert es sich selbst in anarchischer Lebendigkeit. Geladen mit Energie und innerer Spannung proklamiert es seinen unvergleichlichen Freiheitsgrad, den es wohl beanspruchen kann.

Es ist eine wohl intensive Ballung von Malerei, die die Galerie hier versammelt und uns in herausfordernder Diversität darbietet, die aber vor allem eines eint: Denn unbeirrt und konsequent betreiben diese drei Künstlerinnen ihre spezifischen Formen unbeugsamer Malerei, die sich in ihrer Eigenart selbstbewusst und autark präsentiert: wesensmäßig, autonom und nur ihrer Eigengesetzlichkeit verpflichtet. Genau dieser spezifischen Eigengesetzlichkeit überlassen sich die Künstlerinnen im Prozess der Werkwerdung. Sie lassen sich tragen von einem unbeirrbaren Vertrauen in ihre Malerei, in deren Rätselhaftigkeit sie sich begeben um ebenso rätselhafte Werke zu schaffen – die für uns wie auch für sie selbst ihren Mythos bewahren.